Die Königliche Militäreisenbahn

Technik für den Krieg. Weg in die Moderne.

Die noch verbliebenen Bauten und Anlagen der einstigen Königlichen Militäreisenbahn (K.M.E.) sind nicht nur die heute noch sichtbaren Zeugen der Geschichte der Militäreisenbahn, sondern zugleich der rasanten Entwicklung des Eisenbahnwesens in Preußens, die mit der Eröffnung der Bahnstrecke von Berlin nach Potsdam 1838 ihren Anfang nahm.

Das Bahnnetz in und um Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts (Abbildung: Lithographische Anstalt Bogdan Gisevius)

Welche Bedeutung der Eisenbahn als strategisches Transportmittel für das Militär zukommen kann, zeigte sich vor allem im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Die Erfahrungen daraus führten zunächst dazu, dass eine seit längerem projektierte direkte Zugverbindung von Berlin nach Dresden geschaffen werden konnte. Die Direktion der Berlin-Dresdener Eisenbahn-Gesellschaft vereinbarte mit dem Kriegsministerium überdies, parallel zur Strecke auf dem Abschnitt von Schöneberg bis nach Zossen ein weiteres Planum für ein zusätzliches Gleisbett anzulegen. Auf diesem sollte eine zum neuen Artillerieschießplatz in Kummersdorf abzweigende Militärbahn entstehen.

Bahnhof Schießplatz Kummersdorf, um 1900. (Foto: Hille, 1913, Abb. 3)

Bereits 1871 wurde aus Feldeisenbahnabteilungen das Eisenbahn-Bataillon mit zunächst 502 Soldaten und Offizieren aufgebaut, das Generalfeldmarschall von Moltke in seiner Funktion als Chef des Generalstabs direkt unterstellt wurde. Am 26. Februar 1874 begannen die Bauarbeiten für die Militärbahnstrecke, die über Sperenberg verlaufen sollte, um so künftig Einnahmen durch Gütertransporte aus den angrenzenden Ziegeleien und Gipsfabriken sowie durch Holztransporte aus dem Kummersdorfer Staatsforst generieren zu können.

Die durch Bautrupps des Eisenbahn-Bataillons vorgenommene Verlegung der Gleise startete im März 1875 zugleich von Schöneberg und Zossen aus. Im April 1875 trafen sich die Bautrupps, bis Juli erfolgte die Gleisverlegung auf dem Abzweig zum Schießplatz. Am 15. Oktober 1875 konnte die zunächst 45,6 Kilometer lange Strecke der Königlichen Militäreisenbahn von Schöneberg bis nach Kummersdorf eröffnet werden. 1897 folgte die Verlängerung nach Jüterbog, die zugleich eine Querverbindung bot zwischen der über Zossen verlaufenden Berlin-Dresdener Bahn und der Berlin-Anhalter Bahn, die über Jüterbog geführt worden war. Insgesamt betrug die Strecke nun 70,5 Kilometer und hatte 14 Stationen.

(Plan: Lutz Birkholz)

Auf der eingleisigen Strecke wurden nicht nur schwere Artilleriegeschütze zum Schießplatz nach Kummersdorf transportiert, sie diente vor allem auch der Ausbildung der Eisenbahn-Pioniere, denn ausschließlich militärisches Personal regelte den Betrieb. Die Höchstgeschwindigkeit wurde zunächst auf 45 km/h festgelegt. Befahren wurde sie anfangs nur zweimal pro Tag mit P2-Dampflokomotiven der Berliner Maschinenbau-Actiengesellschaft, vormals L. Schwartzkopff, sowie einer im Krieg erbeuteten französischen Dampflokomotive. Gut anderthalb Stunden dauerte die Fahrt von Schöneberg bis nach Kummersdorf. Der Abschnitt von Berlin nach Zossen war bis 1888 ausschließlich dem Militär vorbehalten, ziviler Personen- und Güterverkehr dagegen war auf dem Streckenabschnitt Zossen-Kummersdorf von Beginn an möglich. Mitte der 1890er Jahre gab es bis zu acht Zugfahrten täglich.

Von 1901 an nutzte überdies die Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen St.e.S., der neben Bankhäusern und Maschinenbau-Unternehmen vor allem die AEG und Siemens & Halske angehörten, einen Teil der Strecke für Schnellfahrversuche. Das ganze Bahnsystem durch Elektrifizierung und höhere Fahrgeschwindigkeiten künftig noch effizienter gestalten zu können, war mit ein Ansinnen dieser Tests auf der Militärbahnstrecke. Am 28. Oktober 1903 erreichte ein Schnellbahnwagen der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft AEG eine Geschwindigkeit von 210,2 Stundenkilometern auf der Strecke der Königlichen Militäreisenbahn zwischen Marienfelde und Zossen. Damals der absolute Weltrekord.

Die beiden Schnelltriebwagen der Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen: Links das AEG-Fahrzeug, rechts der Siemens-Wagen. (Foto: Siemens Historical Institute)

Spezialisten der Eisenbahn-Brigade wurden um 1900 im heutigen Namibia, damals vom deutschen Kaiserreich besetzt und als Deutsch-Südwestafrika bezeichnet, eingesetzt, um die über zahlreiche Brücken durch die Wüste Namib geführte Strecke Swakopmund-Windhoek zu realisieren.

Eisenbahnbrücke über den Swakop bei Okahandja in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, Anfang des 20. Jahrhunderts. (Foto: unbekannt; Wikipedia)

Schöneberger Militäreisenbahner gehörten zu den 1900 nach China gesandten Soldaten, die zur Niederschlagung des sich in Teilen Chinas gegen die Kolonialmächte formierenden Widerstandes angefordert worden waren. Das Eisenbahn-Bataillon sollte im so genannten Boxeraufstand zerstörte Bahnstrecken wieder aufbauen und den Betrieb sichern. Das internationale Expeditionskorps beging Massaker an der chinesischen Bevölkerung.

Militäreisenbahner waren auch in Kampfhandlungen involviert, als ab 1904 der Widerstand der Einheimischen gegen die Unterdrückung Enteignung durch die deutschen Schutztruppen mit dem Aufstand der Herero zu vier Jahre andauernden Kriegshandlungen führte. Schätzungen zufolge bis zu 70 000 Menschen und damit rund ein Drittel der Bevölkerung der Herero und Nama wurde bei diesem Völkermord umgebracht.

Soldaten der Eisenbahn-Brigade vor dem Ausrücken nach Deutsch-Südwestafrika, 1904. (Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg/Archiv)

Nach 1919 wurde im Zuge des Versailler Vertrags der Betrieb als Militäreisenbahn beendet. Zunächst übernahm im Herbst 1919 die Eisenbahndirektion Berlin den Betrieb bis nach Jüterbog, während die Verwaltung der K.M.E. durch die Abwicklungsstelle der Militäreisenbahn fortgeführt wurde. Ab April 1920 war das Reichsverkehrsministerium zuständig, der Abschnitt zwischen Berlin und Zossen wurde stillgelegt und allmählich abgebaut. Die Trasse von Zossen nach Jüterbog dagegen wurde für den zivilen Personenverkehr genutzt. Ab 1923 wurde der Betrieb auf dieser Strecke durch die Deutsche Reichsbahn aufrechterhalten. Die endgültige Stilllegung der zuletzt von der Deutschen Bahn betriebenen Strecke erfolgte in Abschnitten 1996 und 1998. Die noch verbliebenen Bauten und Anlagen der K.M.E. wurden im Landkreis Teltow-Fläming im Jahr 2002 unter Denkmalschutz gestellt. Ein Teil der Gleise wird heute als Draisinenstrecke genutzt.

Gleisanlagen beim ehemaligen Militärbahnhof Kummersdorf, heute Teil der Draisinenstrecke zwischen Zossen und Jänickendorf. (Foto: Karen Grunow)
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