Zwischen Landpartie und Militäralltag

Ab Zossen verlief das Gleis der Militäreisenbahn durch die Notteniederung am Kanal entlang bis zum Mellensee, mehrere Anschlussgleise verbanden Sägewerke und bei Klausdorf vor allem Ziegeleien mit der Bahnstrecke. Für den Militärfiskus waren die Gütertransporte kein schlechtes Geschäft: 1905/06 waren die Einnahmen aus dem Güterverkehr fünfmal so hoch wie aus dem Personenverkehr, dabei wurden in jenem Rechnungsjahr mit 150 000 Zivilisten fast so viele zahlende Privatpersonen wie kostenlos reisende Militärs befördert.

3 Personenzüge täglich in beide Richtungen, außerdem Güterzüge und ein Schnellzug waren 1900 auf der Strecke unterwegs. (Abbildung: Bley, 2000, S. 38)

Auch Holz wurde aus dem Kummersdorfer Forst nach Berlin gebracht. In Sperenberg wurde bereits seit dem Mittelalter und bis in die 1950er Jahre Gips abgebaut, außerdem wurde hier ein Salzlager entdeckt. Heute ist der Bereich der Sperenberger Gipsbrüche ein zum Wandern geeignetes Naturschutzgebiet.

Faszinierende Landschaft: die Sperenberger Gipsbrüche. (Foto: Karen Grunow)

Mellen – ab 1930 Mellensee – wurde ebenso wie Rangsdorf und Sperenberg ab den 1890er Jahren allmählich beliebter bei Ausflüglern.

Postkarte, abgeschickt 1905, vom Ausflugsziel Mellensee. (Repro: Museum im Mönchenkloster Jüterbog)

Die Fahrt mit der Militäreisenbahn war nicht nur etwas günstiger als der normale Vororttarif der Staatsbahnen, das Dienstpersonal hatte auch den Ruf, aufmerksamer und freundlicher zu sein. Auch heute hat ein Ausflug in die Region etwas von Urlaub und Freizeitvergnügen, denn der frühere Militärbahn-Abschnitt von Zossen bis nach Jänickendorf wird als Draisinenstrecke genutzt; einige der alten Bahnhofsgebäude sind bewohnt beziehungsweise wurden zu Ferienwohnungen umgebaut, und im Bahnhof Rehagen ist ein Restaurant.

Der Bahnhof Rehagen heute. (Foto: Lutz Birkholz)

Mehrere Feldbahndepots sowie Barackenlager und Übungsplätze und ein Lokschuppen nebst Wasserstation waren hier außerdem entstanden. In dem ab 1906 errichteten Bahnhofsbau gab es seit jeher Gastronomie, zunächst als Kantine, nach dem Aus der Militäreisenbahn als Bahnhofswirtschaft. Damals wurden in dem Haus auch Wohnungen eingerichtet.

Postkarte, datiert mit 1. Oktober 1908. Die eiserne Fußgängerbrücke über die Bahngleise wurde 1893 errichtet. (Abbildung: Museum des Teltow)

Noch etwas später, um 1910, entstand das Empfangsgebäude in Sperenberg, das mit seinem Zierfachwerk und einem seitlichen Treppenhausturm stilistisch eher an die zu jener Zeit populäre Landhaus-Architektur erinnert. Die Haltepunkte Sperenberg und Rehagen-Clausdorf wurden ab 1897 durch einen zu Übungszwecken angelegten Feldbahnring mit dem für Brückenbauübungen genutzten Schumkasee verbunden.

Brückenbau am Schumkasee. (Fotograf: unbekannt)

Seit 1878 wurde hier der Brückenbau trainiert, und die Brücken wurden mit Belastungskörpern getestet. Später wurden auch steinerne Brückenpfeiler als Auflager errichtet, um die Montage der Brückenteile so schnell und effizient wie möglich ausführen zu können. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde erneut ein Eisenbahn-Regiment aufgestellt, um den See im Rahmen eines Brückenbauzentrums zu Ausbildungszwecken für Kriegseinsätze zu nutzen.

Ansichtskarte vom Schwimmbad der Eisenbahn-Brigade im Schumkasee. (Repro: Museen Tempelhof-Schöneberg/Archiv)

Direkt an den Gleisen der Militärbahn in Kummersdorf befindet sich die frühere Kaserne der Artillerie am ehemaligen Schießplatz Kummersdorf. Das Areal dafür war 1872 erworben worden, da der bis dato in Tegel genutzte Schießplatz durch die zunehmende Industrialisierung und Bebauung der dortigen Umgebung aus Sicherheitsgründen aufgegeben werden musste.

Kaserne der Artillerie am ehemaligen Schießplatz Kummersdorf. (Foto: Natalia Carstens)

Heute ist auf dem Schild am Kummersdorfer Bahnhofsgebäude noch schwach die ursprüngliche Bezeichnung „Kummersdorf Schießplatz“ zu erahnen. Die Umbenennung in „Kummersdorf Gut“ erfolgte 1953. Auf dem ehemaligen Schießplatz-Areal wurde neueste Waffentechnik zur Vorbereitung beider Weltkriege getestet. Wernher von Braun betrieb ab 1932 in Kummersdorf Raketenforschung. Es gibt derzeit in der Region Bemühungen, dafür zu sorgen, dass das gigantische einstige Militärgelände im Kummersdorfer Forst in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen könnte.

Schild am Bahnhof Kummersdorf. (Foto: Lutz Birkholz)

Beredte Zeugnisse des Alltags der Militäreisenbahner und der in der Region stationierten Soldaten sind Postkarten, die heute im Museum des Teltow in Wünsdorf und im Museum im Mönchenkloster in Jüterbog aufbewahrt werden. Es sind manchmal Erinnerungen an zuhause, Klagen über die Zustände in den Barackenlagern und Kasernen, hoffnungsvolle Zeilen an die Braut oder Dankesworte für persönliche Lebensmittelpakete.

(Repro: Museum des Teltow)

Abgestempelt wurde obige Karte am 26. Juli 1905:

„Liebe Eltern und Geschwister!
Nun sind es nur noch 2 Tage die wir hier draußen sind. So schön es in einer Art hier ist, so freut man sich doch wieder, wenn man nach Berlin kommt. Denn das Essen läßt sehr viel zu wünschen übrig. Auf Wiedersehen und viele Grüße sendet Euer Willy“

Auf der Rückseite ist ein persönlicher Gruß an die Mutter:
„Liebe Mutter!
Im Geiste freue ich mich jetzt schon einmal wieder bei dir zum Abendbrot zu speisen und mich wieder mal an Rührei oder Kartoffelpuffer zu laben; denn wie schlecht jetzt das Essen in letzter Zeit ist lässt sich schwer beschreiben und so hatte ich in den letzten Wochen heftige Magenschmerzen … manchmal an einem Abend 3 große Magenbitter trinken mußte, damit mir einigermaßen wohl war, auch haben wir jetzt zünftig zu schleppen an den großen [unleserlich] von 8-10 Zentnern. …“

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